Ökobackweizen – Besser backen mit weniger Eiweiß

Ein Weg zu mehr Qualitätsökoweizen aus Niedersachen

Projektlaufzeit: 01. September 2016 - 15. Februar 2020

Im Rahmen des EIP-Projektes „Ökobackweizen“ wurde ein Mikrobackverfahren optimiert und standardisiert, das mit einer Mehlmenge ab 30g auskommt. Der Backversuch liefert die Grundlage, um Sorten mit zufriedenstellenden Backqualitäten bei niedrigeren Eiweißgehalten ausfindig zu machen. Damit steht ein Werkzeug zur direkten Qualitätsbeurteilung bereit, das bereits im Zuchtprozess bei geringer Probenverfügbarkeit angewendet werden kann.

Üblicherweise wird die Qualitätseinstufung von Weizen über eiweißbasierte Inhaltsstoffe wie Feuchtkleber- oder Proteingehalt durchgeführt. Immer wieder sind jedoch Abweichungen der tatsächlichen Backqualität von den Erwartungswerten, die auf den indirekten Qualitätsparametern basieren, festzustellen. Sortenbedingt können auch bei mittleren und niedrigen Eiweißgehalten zufriedenstellende Backqualitäten gefunden werden. Solche Sorten sind besonders effizient im Hinblick auf das Verhältnis von Backvolumen zu Feuchtklebergehalt Der erzielbare Feuchtklebergehalt wird durch die Stickstoffverfügbarkeit begrenzt und ist mit dem Kornertrag negativ korreliert. Höhere Erträge gehen daher zwangsläufig mit einem niedrigeren Feuchtklebergehalt einher. Sorten, die bereits bei niedrigerem Feuchtklebergehalt über bessere Backeigenschaften verfügen, bieten daher ein bislang kaum genutztes Potential, Qualität und Ertrag bei limitierter Stickstoffverfügbarkeit zu erhöhen. 

Eine direkte Qualitätsbeurteilung mittels eines geeigneten Backversuches ermöglicht die Identifikation von Sorten und Zuchtlinien, die über diese Eigenschaften verfügen. Damit kann dieses Potential in der züchterischen Bearbeitung von Weizen aufgegriffen und für Selektions-, Anbau- und Verarbeitungsentscheidungen nutzbar gemacht werden.

Über 3 aufeinanderfolgende Versuchsjahre und 2 divergierende Standorte wurde die Reproduzierbarkeit von Sorteneigenschaften an Zuchtstämmen und praxisüblichen Sorten geprüft. Hierbei unterlagen die sortenspezifisch erzielten Feuchtklebergehalte und Erträge größeren Schwankungen, als die damit einhergehenden Backeigenschaften. 

Der Mikrobackversuch wurde in das Backlabor des Forschungsringes in Darmstadt übertragen und kann dort in Auftrag gegeben werden. Ein Handbuch zur Versuchsdurchführung und Probeneinstufung wird in Kürze an dieser Stelle als Download verfügbar sein. 

Eiweißgehalt und Ertrag

Die Eiweiß- wie auch die Ertragsbildung von Weizen sind abhängig von der auf einer Anbaufläche verfügbaren Stickstoffmenge. Im ökologischen Ackerbau ist die Nährstoffverfügbarkeit in erster Linie durch Betriebskreislauf und Bodenstoffwechsel bedingt und dadurch auf natürliche Weise begrenzt. Sandigere Böden und geringere Niederschläge, wie sie in Niedersachsen weit verbreitet sind, erschweren die Eiweiß- und Ertragsbildung zusätzlich. Da die Menge der Klebereiweiße, die auf einer bestimmten Anbaufläche produziert werden können, physiologisch begrenzt ist, sind höhere Klebergehalte nur mit niedrigeren Gesamterträgen möglich. Aus Sicht landwirtschaftlicher Betriebe sind hohe Klebergehalte betriebswirtschaftlich nicht erstrebenswert. Unter diesen Umständen ist die Erzeugung von Öko-Backweizen in Niedersachsen also wenig attraktiv. Dies ist auch die konkrete Situation auf den Betrieben der am Projekt beteiligten Landwirte.  

Direkte und indirekte Qualitätsbeurteilung

Die gängige Vorgehensweise zu Qualitätseinstufung von Weizen ist die Schätzung auf Basis der indirekten Qualitätsparameter Feuchtklebergehalt, Sedimentationswert und Fallzahl. Diese stehen sortenbedingt in mehr oder minder großem Zusammenhang zu den Backeigenschaften eines Mehles. Demgegenüber steht die direkte Qualitätsbeurteilung, welche nur durch eine tatsächliche Verarbeitung wie mit einem Backtest, durchgeführt werden kann. Der Rapid-Mix-Test stellt ein solches standardisiertes Verfahren dar, welches bereits seit den 60er Jahren genutzt wird und in den 70er Jahren zuletzt angepasst wurde. Durch die kurze, intensive 1-minütige Standardknetzeit steht der Rapid-Mix-Test in der Kritik, Teige in Abhängigkeit der Klebereigenschaften sowohl zu unter- als auch zu überkneten, und damit potentielle Backeigenschaften nur unzureichend zu erfassen. In der praktischen Herstellung von Öko-Backwaren wird die Teigknetung, im Unterschied zum Vorgehen beim Rapid-Mix-Test, rohstoffangepasst durchgeführt. Unter einer rohstoffangepassten Teigknetung weisen viele Weizen höhere Backvolumenausbeuten auf als erwartet. Somit nimmt außer dem sortenspezifischen Potential auch die Art der Verarbeitung Einfluss auf das Ergebnis der Qualitätseinstufung.  

Besonderheiten im Überblick:

  • Kleine Probenmenge
  • Angepasste Teigbereitung und -Knetung
  • Schnelle Durchführbarkeit

Ansprüche an den Mikrobackversuch

Um zu einer praxisnahen Probeneinstufung zu gelangen, sollte sich die Versuchsdurchführung an dem Vorgehen in Öko-Backstuben orientieren. Für den Einsatz im Bereich der Züchtung sollte der Versuch mit einer Mehlmenge von ca. 30g auskommen, denn mehr Material steht insbesondere bei jungen Zuchtstämmen nicht zur Verfügung. Die Beurteilung der Backqualität sollte auf Verarbeitungseigenschaften und relevante Merkmale am Gebäck aufbauen, denn nur Gebäckvolumen alleine reicht nicht, wenn z.B. durch den Teig die Geräte verkleben, das Brot zu trocken ist oder die Krume beim Bestreichen zerbröselt. Der Gesamtaufwand für die Versuchsdurchführung sollte überschaubar bleiben, so dass auch eine große Anzahl an Proben mit vertretbarem zeitlichen Aufwand untersucht werden kann. Nicht zuletzt sind die Kosten der, für die Versuchsdurchführung notwendigen, Geräte- und Materialien im Blick zu behalten, so dass das Verfahren auch für kleinere Betriebe und Unternehmen in der Praxis erschwinglich bleibt.

Voruntersuchungen zur probenangepassten Verarbeitung

Für eine probenspezifische Anpassung der Teigzubereitung wird in Voruntersuchungen die individuelle Wasseraufnahmefähigkeit und Teigentwicklungszeit ermittelt.

Die Wasseraufnahme wird in Anlehnung an den ICC-Standard 115/1 bei einer Knetgeschwindigkeit von 63 rpm. einer Temperatur von 30°C und, entgegen der Standard-Methode unter Zugabe von 1,5% Kochsalz ermittelt. Sowohl die Zugabe von Salz als auch die Teigtemperatur während des Knetens haben großen Einfluss auf die Teigentwicklung. Die Salzugabe bewirkt etwas weichere und gleichzeitig knetstabilere Teige, was sich in Abhängigkeit der Sorte unterschiedlich stark ausprägt. Die Teige im Backversuch nicht zu fest ausfallen, wird die Teigkonsistenz durch die Schüttwassermenge auf 450 Farinographeinheiten angepasst, also 50 Farinographeinheiten niedriger als bei der Standard Methode.

Die Ermittlung der Teigentwicklungszeit wird unter Zugabe der individuellen Wassermenge und 1,5% Kochsalz durchgeführt. Die Teigzubereitung für die Versuchsbrötchen findet bei einer Umgebungstemperatur von ca. 20°C statt. Da die Umgebungstemperatur einen großen Einfluss auf die Teigentwicklung hat, wird die Knetkammertemperatur für diese Voruntersuchung ebenfalls auf 20°C eingestellt. Im Gegensatz zu der Erfassung der Wasseraufnahmefähigkeit wird nun mit einer Knetgeschwindigkeit von 120rpm gearbeitet, so wird für die Untersuchung weniger Zeit benötigt und es zeichnen sich eindeutigere Konsistenzmaxima ab.

Teigentwicklung im Farinogramm unterschiedlicher Teigbereitungen:

Zutaten

Die Teigzutaten für die Testbrötchen bestehen aus 20g Mehl, 1,5% Salz (=0,3g), 0,5 g Trockenhefe, 0,5ml Wasser als Trockenhefeausgleich und Wasser entsprechend der zuvor ermittelten individuellen Wasseraufnahmefähigkeit. Auf weitere Teigzutaten wie Zucker, Fett, Malz und Säuerungsmittel wird bewusst verzichtet. Mit dem Versuch soll das rohstoff- und sorteneigene Potential abgebildet werden, um eine klare Differenzierung zwischen den einzelnen Prüfgliedern zu erreichen. Unter Zugabe von Fett und Zucker könnte zwar eine etwas höhere Volumenausbeute erreicht werden, gleichwohl entstehen Wechselwirkungen mit anderen Qualitätsmerkmalen, die von Sorte zu Sorte unterschiedlich ausfallen und damit zu einer Verzerrung der abgebildeten Rohstoff-Qualität führen.

Der Backversuch

Für die probenspezifische Teigherstellung kommen die individuelle Wasseraufnahme und die zuvor ermittelte Teigentwicklungszeit zum Einsatz. Entsprechend werden die Proben im Micromixer mit kurzer (3 Minuten), mittlerer (4,5 Minuten) und langer (6 Minuten) Knetzeit zu Teig verarbeitet.

Basierend auf Qualitätsausprägungen im Jahr 2017 konnte mit angepasster Knetzeit bei einigen Proben einer höhere Volumenausbeute erzielt werden, als bei der Standardknetzeit von 4,5 Minuten. 

Im Erntejahr 2018 und 2019 wurden bei einem Großteil der untersuchten Proben Teigentwicklungszeiten von unter 3 Minuten festgestellt. Die Teigentwicklungszeit ist außer durch die Sorte selbst auch stark durch Anbaubedingungen und die Witterung beeinflusst. Für Proben mit einer Teigentwicklungszeit von unter 2 Minuten wurde die Knetzeit im Micromixer auf 2,5 Minuten verkürzt. Generell ist bei solchen Mehlen von der Teigzubereitung im  Micromixer eher abzuraten. Das Pin-Knetsystem bedingt eine intensive Knetung mit hohem Energieeintrag, wodurch empfindlichere Proben schnell überknetet werden.  

Die Teige werden zur Kugel und freigeschoben gebacken. In handelsüblichen umgerüsteten Brotbackautomaten ruhen die Teiglinge bei 30°C für 60 Minuten. Nach den ersten 15 Minuten werden sie mit einer Nudelmaschine 3mal bei einem Walzenabstand von ca. 1,7 mm gewalzt und erneut zu einer Kugel gerollt. Es wird hierbei bewusst darauf verzichtet, Spannung in den Teig hineinzuwirken. So wird die Brötchenform ( Höhe und Breite) zu einem aussagekräftigen Merkmal der Teigeigenschaften, ohne durch das sonst übliche "Rundwirken" zu stark beeinflusst zu werden.  Gebacken wird dann für 18 Minuten bei einer Temperatur von 190°C.

Wenn die Brötchen vollständig abgekühlt sind, nach ca. 1-2h kann die Merkmalserfassung durchgeführt werden. Den Kern der Einstufungsrelevanten Merkmale bilden die Wasseraufnahmefähigkeit, Teigbeschaffenheit, Volumenausbeute, Brötchenform und Oberfläche. Zur Ergänzenden Beschreibung werden außerdem Porung, Elastizität und Bräunung der Kruste miterfasst.

Die ausführliche Anleitung zur Durchführung des Backversuches kann im pdf-Format heruntergeladen werden. 

 

 

Probenmaterial: Feldversuche mit Sortenscreening

An 2 Standorten und über 3 Vegetationsperioden ('17 - '19) hinweg wurden im Rahmen des Projektes umfangreiche Sorten- und Zuchtstammprüfungen durchgeführt. Eine umfangreiche Leistungsprüfung mit mehr als 250 Prüfgliedern wurde am Standort Darzau durchgeführt, 50 Sorten wurden zusätzlich in Osnabrück/Wallenhorst geprüft. Beide Sortimente wurden in Folge laufender Selektionen und neu hinzukommender Kandidaten jährlich angepasst. 24 Zuchtlinien waren in allen 3 Jahren und an beiden Standorten in den Feld- und Backversuchen enthalten. Diese wurden als Verrechnungssorten für eine faktorielle Anpassung des Feuchtklebergehalt am jeweiligen Standort auf 21% und des Backvolumen auf 100% verwendet. Nach dieser Anpassung wurden aus den Einzeluntersuchungsergebnissen jeweils ein Sortenmittelwert gebildet. 

Feuchtklebergehalt und Ertrag

Die Gegenüberstellung von Feuchtklebergehalt und Ertrag lässt die negative Korrelation der beiden deutlich werden. Im Bereich von sehr hohem Feuchtklebergehalt werden keine sehr hohen Erträge erreicht, und im Bereich sehr hoher Erträge sind keine hohen Klebergehalte möglich.

Züchterisch optimieren lässt sich lediglich die Verwertung des verfügbaren Stickstoffes. Stickstoff ist, besonders unter ökologischen Anbaubedingungen nur begrenzt verfügbar und limitiert somit die maximal mögliche Proteinmenge, die auf einer Fläche erzeugt werden kann. Sollen die Gesamterträge auf dieser Fläche weiter erhöht werden, geht das nur durch vermehrte Bildung von nicht-Protein-Bestandteilen im Korn, also vorwiegend Stärke. Hierdurch findet quasi eine „Verdünnung“ der Proteine statt. Deswegen können sehr hohe Erträge nicht mit sehr hohem Proteingehalt gemeinsam erzielt werden.

Backvolumen und Feuchtklebergehalt

Bei sehr hohem Feuchtklebergehalt von > 26% kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass auch ein gutes oder sehr gutes Backvolumen erreicht werden kann. Dabei ist bei niedrigeren Kleberwerten keineswegs ausgeschlossen, ebenso hohe Volumenausbeuten zu erzielen. Gerade im Bereich von 20-22% Feuchtkleber kann nahezu jedes Backergebnis gefunden werden.

Backvolumen und Ertrag

Der Feuchtklebergehalt schränkt das Ertragspotential von Winterweizen stärker ein als das erzielbare Backvolumen.  Bei einer entsprechenden Merkmalskombination innerhalb einer Sorte ist es möglich, bereits ab 20-22% gutes Backvolumen zu erzielen. Gute Backeigenschaften können damit auf einem höheren Ertragsniveau gefunden werden, als es bei einer Feuchtkleber-basierten Qualitätsschätzung möglich ist.

Sortenspezifische Veranlagung der Backqualität

Die Gegenüberstellung der Backvolumina mehrfach geprüfter Sorten an den Standorten Darzau und  Osnabrück zeigt, dass das Backpotential stark sortenspezifisch veranlagt ist und sich auch bei wechselnden Anbaubedingungen in einem hohem Maß reproduzieren lässt. Der Feuchtklebegehalt und Ertrag hingegen unterlag über die Jahr und Standorte hinweg größeren Schwankungen. 

Es gibt also Sorten, bei denen eine Partie mit einem Feuchtklebergehalt von 20% ein vergleichbares Backergebnis liefert, wie eine andere Partie der selben Sorte mit einem Feuchtklebergehalt von 28%. Bei einer solchen Sorte ist die Sortenkenntnis für die Qualitätsbeurteilung von größerer Bedeutung, als der erzielte Feuchtklebergehalt. 

Am Standort Köhlingen konnten bereits ab 18% Feuchtkleber sehr gute Backergebnisse erzielt werden. Die direkte Backqualitätsbeurteilung war in geringerem Maße zum Ertrag negativ korreliert als es der Feuchtklebergehalt. Das ermöglicht die Erzeugung guter Qualität auf einem höheren Ertragsniveau, als bei einer Qualitätsbeurteilung auf Basis des Feuchtklebergehalts erreicht werden kann. Damit dieses Potential genutzt werden kann, braucht es außer einer ausreichende Backqualität auch ein standortgemäßes Zusammenspiel aus Protein- und Ertragsbildung. Die derzeitigen Sorten mit besonders guten Backeigenschaften bei niedrigem Feuchtklebergehalt liegen ertraglich oft auf einem ähnlichen Niveau wie andere Sorten, die bei etwas mehr Feuchtleber vergleichbare Backeigenschaften aufweisen. Daher stellt sich die Frage, ob eine höherwertige Kleberbeschaffenheit in ähnlicher Weise mit Ertragsverzicht einhergehen muss, wie höhere Klebergehalte. In wie weit sich dieses Potential für gute Backqualität auf einem höheren Ertragsniveau realisieren lassen wird, bleibt abzuwarten. 

Für eine ausreichende Akzeptanz bei den unterschiedlichen Akteuren entlang der Wertschöpfungskette sollte jedoch auch weiterhin ein Feuchtklebergehalt von über 20% erreicht werden.  Hierbei sollten auch agronomische Merkmale wie Wuchstyp, Blatt- und Saatgutgesundheit nicht zu kurz kommen.

Der aus Darzau neu zugelassene Winterweizen Sarastro vermag es, unter den Anbaubedingungen am Standort Köhlingen einen Feuchtklebergehalt von ca. 22% zu erzielen und dabei Backqualität, Feuchtklebergehalt und Ertrag in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Die etwas weichere Kleberbeschaffenheit dieser Sorte wurde von den am Projekt beteiligten Verarbeitungspartnern begrüßt. Die ökologisch erzeugten Partien aus der Region verfügen sonst überwiegend über eher feste Klebereigenschaften, was Einschränkungen in der Verarbeitungsqualität bedingen kann.

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