Braugersten-Prototypen für den Öko-Anbau in Niedersachsen

Im Sommerspelzgerstenanbau dominiert die Verwendung konventionell gezüchteter Sorten, die lediglich im letzten Vermehrungsschritt unter Öko-Bedingungen zu Z-Saatgut vermehrt werden. Eine konsequent ökologische Saatguterzeugung erfordert flugbrandresistente Sorten, an denen bei Cultivari unter Verwendung genetischer Ressourcen schon seit 2001 gearbeitet wird. Die Qualitätsanforderungen an eine Öko-Braugerste für die industrielle Bierherstellung sind so hoch wie bei konventionell erzeugten Braugersten, aber an Ernteproben aus Öko-Landessortenversuchen wird normalerweise keine Prüfung auf Brauqualitäten vorgenommen. Um diesbezüglich einen Schritt weiterzukommen, wurden Sorten und Zuchtstämme der Ernte 2021 und 2022 aus dem Öko-Anbau vom Standort Köhlingen bei 21371 Tosterglope in Nordostniedersachsen von der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin auf die Brauqualitätsparameter Eiweißgehalt, Extraktausbeute, Friabilimeterwert, Viskosität, sowie an einer Auswahl zusätzlich auf ß-Glucangehalt, freie Aminosäuren, alpha- und beta-Amylase-Aktivität untersucht und den Daten aus dem Feldversuch (Jugendentwicklung, Mehltau, Flugbrand, Ährenschieben, Ertrag, Vollgerstenausbeute und TKG zur Seite gestellt. Die Untersuchungen auf Brauqualitätsparameter wurden nach dem Verfahren der Maischung nach Isotherme 65°C, wie es inzwischen auch der Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamtes zu Grunde liegt, vorgenommen.

Hier können die Berichte zu den Brauqualitätsergebnissen mit Grafiken und Übersichtstabelle der Ernte 2021 und der Ernte 2022 eingesehen werden.

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die mitgeprüften historischen Sorten den heutigen Qualitätsanforderungen nicht gerecht werden können, sowie in der Mehltauanfälligkeit und Ertragsfähigkeit zurückblieben. Konventionell gezüchtete Sorten, die im konventionellen Anbau mit den höchsten Brauqualitätsparametern ausgezeichnet sind, erreichten diese in vergleichbarer Weise auch unter den geprüften Ökoanbaubedingungen. Die Anforderungen an sehr niedrige ß-Glucangehalte, wie sie beispielsweise von Lexy, Schiwago, Avus und Avalon erreicht werden, konnten im Versuchsjahr 2021 in Verbindung mit Flugbrand-Ausbreitungsresistenz und wüchsigerer Jugendentwicklung nur mit den beiden Ökozuchtstämmen DZB1656h und DZB1658i erreicht werden. Das schon etwas geringere Niveau der Destillationsgerste Firefox konnte der Öko-Zuchtstamm DZB1661c mit Embryo-Flugbrandresistenz annähernd erreichen, wobei mit diesem Zuchtstamm noch keine zufriedenstellende Jugendentwicklung vorlag. Im Versuchsjahr 2022 konnten 42 jüngere Zuchtstämme erstmals neben den Vergleichssorten und den besten aus 2021 untersucht werden, unter denen sich nun auch mit DZB1788d, DZB1788we und DZB1794r drei Linien mit sehr niedrigen ß-Glucangehalten bei hoher Extraktausbeute und Mürbigkeit, sowie zugleich vorhandener Un8-Embryoflugbrandresistenz auf dem Ertragsniveau der konventionellen Braugerstensorten befanden. Über die Hälfte der jungen Zuchtstämme erreichten die heutzutage geforderten Brauqualitätsparameter. Damit steigen die Aussichten, in der Öko-Braugersten-Saatguterzeugung in Niedersachsen auf eine konventionelle Vorvermehrung vollständig verzichten zu können, sofern die Zuchtlinien auch in weiteren Ertragsprüfungen halten, was sie versprechen.

Teilprojekt Graupeneignung von Öko-Sommerbraugersten

An Untersuchungen über die Eignung von Sommergersten für die Graupenherstellung, insbesondere auch aus ökologischer Erzeugung, mangelt es sehr. Gerade beim Öko-Anbau von Sommergersten für Brauzwecke in Niedersachsen stellte sich die Frage, wie es um eine alternative Verwendung zu Speisezwecken aussieht, wenn die geforderten Brauqualitätsparameter nicht erreicht werden oder auch die als Öko-Saatgut vorhandenen Sorten zum Anbau für die Graupenherstellung verwendet werden sollen. Auch im Hinblick auf die regionale Erzeugung für niedersächsische Verarbeiter ist diese Frage von Interesse. Zunächst waren dafür die Methoden und ein Testprotokoll aufzustellen,  um überhaupt zu einer systematischen Differenzierung kommen zu können, die erste Anhaltspunkten für Sortenempfehlungen zur Graupenherstellung geben kann. Da bereits ein größeres Probensortiment vorlag und auf Brauqualitätsparameter getestet werden konnte, war es möglich, mit den sich anschließenden Graupenuntersuchungen am gleichen Sortiment Synergien zu nutzen. Da der Naturkostmarkt wird von Rollgraupen dominiert wird, wurden diese in den Mittelpunkt gestellt.

Der Bericht mit Darstellung der Untersuchungsmethoden inkl. Parameterdifferenzierung, Grafiken und Tabellen zu den Öko-Graupenuntersuchungen kann hier eingesehen werden.

Da auch einige Proben von anderen Standorten, sowie von Wintergersten und Nacktgersten mit hinzugezogen werden konnten, erwiesen sich die Proben vom Standort Köhlingen schlussendlich als aus eher benachteiligten Bedingungen stammend, denn sie hatten schon mit stärker ausgebildeter Kornfleckigkeit, nicht zuletzt aufgrund eines belegten Befalls mit Basaler Spelzenfäule, zu tun. Dieser Umstand machte die Bedeutung des Qualitätskriteriums der auch unter den Spelzen fleckenfreien Körner umso offenkundiger, um eine homogene helle, gelbliche Graupenfarbe erreichen zu können. Zudem war die Kornhärte am Standort leicht unterdurchschnittlich ausgeprägt und auch die Graupenausbeute. Das breit angelegte Prüfgliedspektrum konnte deutlich machen, wie ungünstig die Graupenausbeute letztendlich ausfallen kann. Nur wenige Handelssorten, von denen Firefoxx am besten abschnitt, erreichten hier über 65% Graupenausbeute in Relation zum Rohertrag. Einige Proben, die aus Öko-Landessortenversuchen in Norddeutschland mitberücksichtigt werden konnten, ließen zwar sortenspezifisch positive Tendenzen wie bei der Sorte Lexy erkennen, allerdings auch Schwankungsbreiten, die für ein sortenspezifisches Ranking besser bestückte, orthogonale Probensätze erfordern würden. Zu Vergleichszwecken ergänzend mituntersuchte Proben einiger Winter- und Nacktgersten ließen vermuten, dass sich unter den Wintergersten potenziell mehr Sorten finden könnten, die Graupenausbeuten von über 75% erreichen können. Ganz besonders hinzuweisen war auf das Potential der Nacktgersten, von denen mit der Winternacktgerste Katemina sogar 90% Graupenausbeute bei sehr schönem Korn erzielt werden konnte, wobei für Nacktgersten vorausgesetzt werden muss, dass die Kornfleckigkeit bei einer Sorte oder dem Muster nahezu nicht vorhanden ist.

Von den erprobten Parametern erwiesen sich die Rollgraupenausbeute nach Abzug von Bruchkorn, der Particle Size Index (PSI) zur Beurteilung der Kornhärte, wobei auch andere Methoden dafür denkbar wären, die Beurteilung der Kornfarbe und ihrer Homogenität und die Kochfestigkeit als die zur Sortendifferenzierung interessantesten Parameter. Sorten mit grau-grünlicher Färbung unter den Spelzen könnten von vornherein ausgeschlossen werden. Da Perlgraupen im Naturkosthandel eine untergeordnete Bedeutung haben, könnte auf deren Herstellung für Sortenvergleiche gegebenenfalls verzichtet werden und auch die Grießausbeute erschien wenig Zusatzinformation zu bieten, wenn der PSI sowieso erfasst wird. Die genannten Parameter an den wenigen Proben aus Öko-Landessortenversuchen, die nach Ausschluss von Mustern mit weniger als 90% Vollgerstenanteil, ausgeprägter Fleckigkeit oder grauer Kornfarbe übrigbleiben, gelegentlich zu prüfen, könnte den Speisegerstenverarbeitern eine wertvolle Hilfe beim Auffinden geeigneter Erntepartien sein.

Mit Unterstützung des Landes Niedersachsen gefördert über das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wurden die Anbauversuche in den Jahren 2021 und 2022 auf ökozertifizierten Versuchsflächen um den Ortsteil Köhlingen bei 21371 Tosterglope durchgeführt. Die Berichte mit den Ergebnissen stehen über die Verrknüpfungen oben im Text zum Download zur Verfügung.